Benjamin Black: Eine Frau verschwindet

Romane, Spannung

Ein Kriminalroman aus Dublin um 1950.

Es war Winter, widerliches Wetter, und April Latimer war verschwunden. Seit Tagen wollte sich der typische Februarnebel einfach nicht auflösen.

In der gedämpften Stille wirkte die Stadt verwirrt, wie jemand, der plötzlich sein Augenlicht verloren hat. Wie Blinde tappten die Menschen durch die trübe Suppe, tasteten sich an Fassaden entlang und hielten sich an Geländern fest, zauderten an Straßenecken und suchten vorsichtig mit dem Fuß nach der Bordsteinkante. Autos mit hellen Scheinwerfern geisterten wie riesige Insekten durch den Nebel und stießen milchige Abgaswölkchen aus. (…) Phoebe Griffin hielt sich für Aprils beste Freundin, und nachdem sie seit einer Woche nichts mehr von ihr gehört hatte, war sie sicher, dass ihr etwas zugestoßen sein musste. Sie wusste sich keinen Rat. Sicher, April könnte einfach weggefahren sein, ohne Bescheid zu sagen – das hätte zu ihr gepasst, denn sie war unkonventionell, manche nannten sie sogar hemmungslos, doch Phoebe hatte ihre Zweifel…

Aus: Benjamin Black (John Banville), Eine Frau verschwindet. Kiepenheuer & Witsch, 2012

Banville entwirft ein atmosphärisch dichtes und düsteres Bild vom Dublin der fünfziger Jahre. Bigotterie, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Armut, Alkoholismus. [Er lässt ] im Dubliner Elend und Nebel gelegentlich originelle Sprachbilder aufblitzen: Der Geschmack lappigen Kaffees erinnert den verkaterten Quirke an Affenfell, der kleinwüchsige Reporter Jimmy Minor »stand auf und stolzierte mit seiner Zigarette wie ein Zwerghuhn zum Fenster«

Jan Schmelzer, hr-online/kultur

Wunderbar, wie Banville alias Black die Atmosphäre Dublins im die Mitte des letzten Jahrhunderts wiederauferstehen lässt (…) mit viel Atmosphäre und einer anspielungsreichen Sprache

Dietmar Jacobsen im Titel Kulturmagazin

[Dieses Buch] bietet echte Lesefreude, denn selten findet man einen Schriftsteller, der so gut mit Worten umzugehen weiß wie Benjamin Black alias John Banville. Unter seiner Feder entwickelt die kleine aber feine, weil stimmig konstruierte Geschichte eine echte Sogwirkung. (Die richtig gute Übersetzung träge hierzulande selbstverständlich ihren Teil dazu bei.)

Michael Drewniok, Buchwurm.info

Die Arbeit der Übersetzerin wurde mit einem Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds e.V. ausgezeichnet.


Coverfoto (Beitragsbild) © Kiepenheuer & Witsch