Cover Jospeh Knox, Dreckiger Schnee, übersetzt von Andrea O'Brien

Joseph Knox: Dreckiger Schnee

Romane, Spannung

Joseph Knox liefert mit seinem in Manchester angesiedelten Debüt einen düster atmosphärischen Thriller in bester Noir-Tradition ab. 

Mädchen, Drogendealer …

Manchester, die dunklere Seite. David Rossiter, MP, sorgt sich um seine Tochter Isabelle. Sie ist von zu Hause abgehauen und beim stadtbekannten Drogendealer Zain Carver untergekommen. Isabelle arbeitet für ihn als »Sirene« – so heißen die junge Mädchen, die für Drogendealer an verschiedenen Orten Geld einsammeln. Auch die seit zehn Jahren vermisste Joanna Greenlaw war eine solche Sirene. Doch kurz nachdem sie sich bereit erklärte, gegen ihren Boss auszusagen, verschwand sie. Ihre Leiche wurde nie gefunden.

Für Carver hingegen laufen die Geschäfte blendend. Er hat sich mittlerweile zum König der Unterwelt Manchesters hochgearbeitet und ist offenbar unantastbar. Doch dann wird sein früherer Gegenspieler Sheldon White aus der Haft entlassen…

… und ein Cop in der Bredouille

In diese Gemengelage gerät Aidan Waits, ein in Ungnade gefallener Cop mit Suchtpersönlichkeit. Er wurde erwischt, als er Drogen aus der Asservatenkammer stehlen wollte. Um einer Anzeige zu entgehen und seinen Job zu retten, erklärt er sich bereit, verdeckt gegen Carver zu ermitteln. Offiziell als schmutziger Bulle diskreditiert, soll Watts sich beim Drogenboss einschmeicheln und dabei die Abgeordnetentochter Isabelle Rossiter im Auge behalten. Außerdem hat er die Aufgabe, den Informanten aus den eigenen Reihen aufspüren, der eine schützende Hand über Carver zu halten scheint.

 

Als eines der Mädchen an verunreinigtem Heroin stirbt, verlassen Waits und seine Geschichte die befestigten Wege des Genres

Beitragsbild Krimiscout-Besprechung Sirens von Joseph Knox

So weit, so konventionell. Wäre da nicht Aidan Waits, der als Antiheld dieses verstörenden Romans nicht nur diversen chemischen Substanzen sondern auch der Liebe verfällt. Als eines der Mädchen an verunreinigtem Heroin stirbt, verlassen Waits und seine Geschichte die befestigten Wege des Genres und bahnen sich neue Trampelpfade. Die Handlung ist hochkomplex, doch nie verwirrend. Fragen werden aufgeworfen, aber man ist sicher, dass es auf jede einzelne eine plausible Antwort gibt. Knox nimmt seine Leser mit auf eine Reise in die Unterwelt, aus der sie verändert zurückkehren.

Thriller mit Sogwirkung

Schwarz-weiß ist hier grau, die Grenze zwischen Gut und Böse so unscharf wie die Erinnerung eines Junkies. Und das Ende? Wie eine Faust in den Magen.

Was macht diesen Roman so wirkungsvoll? Da ist zunächst der Held. Zu Beginn des Romans liegt er buchstäblich in der Gosse und kann sich an nichts mehr erinnern. Dieser Mann hat sich sämtliche Chancen auf eine Rückkehr in einen halbwegs normalen Alltag verbaut. Und dennoch geht von seiner Geschichte eine unwiderstehliche Sogwirkung aus, und der Leser leidet mit ihm, von der ersten bis zu letzten Seite.

Das Konzept des Antihelden ist im Genre mittlerweile so verbreitet, dass man es nicht genauer zu erläutern braucht. Dass dieser kaputte Aidan Waits trotz allem nicht klischeehaft wirkt, liegt an Manchesters Unterwelt, Krimiscout-Besprechung Sirens Joseph Knoxseinen zutiefst menschlichen Zügen. Er ist süchtig, nicht nur nach Drogen, sondern auch nach der Liebe – und verfällt so einer der Sirenen aus dem Titel.

Knox knüpft ein starkes Band zwischen seinem Helden und dem Leser, der ihm von einer selbstmörderischen Aktion zur nächsten folgt, ihn befeuert, ihm Glück wünscht – und ihn immer wieder scheitern sieht. Der Mann schaufelt sein eigenes Grab, er hat nichts zu verlieren, und gerade das macht ihn so glaubwürdig.

Dabei ist Knox‘ Erzählstil packend, viszeral, rasant. Hier wird nichts geschönt, es geht ans Eingemachte – und direkt in die Eingeweide des Lesers. Schwarz-weiß ist hier grau, die Grenze zwischen Gut und Böse so unscharf wie die Erinnerung eines Junkies. Dazu Joy Division. Willkommen in der Finsternis.

Und das Ende? Wie eine Faust in den Magen.

Dies ist ein Auszug aus meiner Besprechung auf Krimiscout

Joseph Knox, Dreckiger Schnee. Knaur, 2018


Coverfoto (Beitragsbild) © Knaur
Bild 1, 2 © Joachim Walter, mit freundlicher Genehmigung